Marie-Jeanne.
Bitte Marie-Jeanne, mi Blog es su Blog :)
~ 12 ~ |
Ich
hasse Weihnachten. Nicht erst seit diesem Jahr, nein, schon die letzten
dreizehn Jahre, einhundertzehn Tage und neun Stunden. Seit ich zehn
Jahre alt bin.
Es ist klar, als dritter Sohn in einer Familie aus Weihnachtselfen kann
man Weihnachten gar nicht mögen. Schon als Kind wird man gezwungen
Bilder von lachenden Schneeflöckchen und fliegenden Schlitten malen -
was Quatsch ist, immerhin arbeiten wir alle für das Christkind, das
klingelt ja ganz brav an der Tür und lässt die Säcke mit Geschenken von
armen Untergebenen wie mir schleppen.
„Barry!“,
ruft jemand hinter mir und ich seufze genervt auf. Mein älterer Bruder
Larry pflügt sich durch die Massen an Geschenkpapier und Schleifen,
offensichtlich auf der Suche nach mir.
Noch
hat er mich nicht gefunden, immerhin sitze ich hier ziemlich verdeckt
hinter einigen Stapeln kitschigem Geschenkpapier mit Einhörnern und
Wintermützen darauf. Mein Job ist lahm. Ich soll mir neue Motive für
Geschenkpapier ausdenken, aber so langsam habe ich das Gefühl, dass ich
innerhalb der letzten Jahre schon alles auf Papier gebannt habe.
Dicke
Weihnachtsmänner, aus deren Mund Noten und ein fröhliches „Ho ho ho“
kommt, oder Engel, die einen Weihnachtsbaum schmücken ...
Für
die ganz Harten habe ich sogar mal Motorrad fahrende Weihnachtsmänner
mit roter Lederweste auf das Papier gedruckt. Und was war der Dank? Eine
Abmahnung, weil ein Jahr, nachdem wir das Papier benutzt hatten, das
selbe Motiv auf dem menschengemachten war. Für eine BDSM-Shop-Kette.
Das
Christkind fand das gar nicht witzig - der kleine Spießer - aber der
Weihnachtsmann hat sich totgelacht und sogar die Engel fanden es zum
Schießen.
„Barry?“,
grölt Larry wieder und ich überlege mir ernsthaft mich einfach unter
einem Stapel zerknüllter Papierentwürfe zu verkriechen. Immer wenn Larry
mich besucht, kommt etwas wirklich unangenehmes auf mich zu. Letztes
Mal war es ein Sonderauftrag für irgendein blödes Gör, das ausgerechnet
Formel 1 und Ponys ganz toll fand. Was durfte ich also machen? Genau,
ein Papier mit in einem Formel 1-Wagen sitzenden Pferden.
Weil
mein nerviger Bruder immer noch durch die Gegend rennt, meine Entwürfe
und Rohmaterialien durcheinanderbringt und nach mir ruft, antworte ich
schließlich: „Was ist denn?“
Er folgt meiner Stimme, Geschenkpapier fliegt durch die Gegend als er sich einen Weg zu mir bahnt.
„Hier
bist du“, stellt er nicht ganz helle fest und ich verkneife mir einen
gemeinen Kommentar. Immerhin kann Larry nichts dafür, dass ihm mal ein
Weihnachtsbaum auf den Kopf gefallen ist, damals, als diese
Möbelhaus-Werbung im Umlauf war, in der alle ihre Bäume aus dem Fenster
schmeißen. Danach war Larry nie mehr der selbe.
„Sag
schon, was für einen dämlichen Spezialauftrag gibt es diesmal?“, frage
ich ungehalten und drücke meinen Bleistift so fest, dass er knackt.
„Der
Weihnachtsmann und der Geist der zukünftigen Weihnacht wollen dich
sprechen“, teilt Larry mir mit und besieht sich einen meiner Entwürfe,
betrunkene Rentiere, die Polka tanzen. „Das sieht nicht sehr kindgerecht
aus“, stellt mein Bruder fest.
„Es
ist auch nicht für Kinder sondern für den Weihnachtsbasar der Anonymen
Alkoholabhängigenangehörigen“, erkläre ich bemüht geduldig.
„Achso.“
Nach
dieser sehr erhellenden Feststellung dreht Larry sich um und pflügt
zurück zum Ausgang, wahrscheinlich besucht er jetzt unseren Ältesten
Harry und sie betrinken sich ein bisschen.
Und ich mache mich seufzend auf den Weg zum Büro vom Weihnachtsmann.
oOo
Schon
als ich an dessen Büro klopfe, ist mir klar, dass das keiner dieser
gemütlichen Termine wird, bei denen man plaudert und Lebkuchen in sich
reinstopft, sondern einer von denen, die einen mit dem kalten Gefühl der
eigenen Unzulänglichkeit zurücklassen.
Weihnachtsmann
sitzt mit dem Geist der zukünftigen Weihnacht da, der seine
Sensemannkutte heute mal abgelegt hat und stattdessen Jeans und Hemd
trägt. Im Prinzip wäre er wahrscheinlich ein echt heißer Typ, wäre da
nur nicht dieser Skelettkopf. Das verleiht ihm ein bisschen das Aussehen
einer Dekoration für Halloween. Wahrscheinlich schaut er deshalb so
unbegeistert.
„Hallo, Santa und Zukunft!“, grüße ich und nehme unaufgefordert in einem der gemütlichen Sessel platz, die hier rumstehen.
„Guten
Tag, Barry“, grüßt Santa zurück, Zukunft nickt nur grießgrämig und
bedauert wahrscheinlich mal wieder, dass er keinen Glühwein kippen kann,
weil Flüssigkeit die unangenehme Eigenschaft hat durch seinen Rippen
hindurchzulaufen und auf dem Hemd zu landen.
„Wir haben ein Problem“, erklärt Santa auch gleich und ich seufze.
„Was
denn?“, frage ich. Bitte, bitte, bitte, lass es nichts mit dem
Christkind zu tun haben. Denn um ihn geht es meist wenn Santa und
Zukunft ein Problem haben.
„Es
geht um Christ“, kommt Zukunft schnell zur Sache. Klar, wann hat mal
keiner einen kleinen Streit mit dem Christkind. „Er verlangt von uns,
jedem Geschenk ein Büchlein mit der Weihnachtsgeschichte beizulegen!“
Aha.
Und? Es ist doch nicht schlecht wenn diese ganzen blöden Gören mal
wissen, warum sie überhaupt Geschenke bekommen, oder? Auch wenn ich
nicht oft begeistert bin von Christ, hier gebe ich ihm recht.
Doch
so wie ich Zukunft, Santa und einige der anderen meiner Vorgesetzten
kenne, wird das in einem Haufen Papierkrieg enden, den mal wieder ich
ausbaden darf.
Und wissen Sie auch warum?
Christ
und ich kennen uns seit ich ein kleiner Elf war. Damals hatte ich das
Glück für ein Praktikum ausgewählt zu werden, das mich in die heiligen
Hallen des Christkindes brachte.
Nur
entpuppte sich das Christkind nicht als kleine, fette Engelsputte,
nein, ich stand plötzlich einem knapp zwei Meter großen,
breitschultrigen und sehr, sehr begehrenswerten Mann gegenüber. Das
einzig engelhafte waren die blonden Locken und blauen Augen.
Er
lächelte mich damals an - was ich auch nur sehen konnte, weil ich den
Kopf ganz in den Nacken gelegt hatte, immerhin war ich erst knapp einen
Meter hoch - und tätschelte meinen Kopf.
Und ich hasste ihn sofort.
Selbst
für einen Elf bin ich nach wie vor ziemlich klein, nur knapp
einsfünfundsechzig, in meiner Familie bin ich der Vorgartenzwerg. Sogar
Tante Ida ist größer als ich.
Ich werde von Zukunft aus meinen Gedanken gerissen. „Was schlägst du also vor, Barry?“
Da ist es wieder. Das Abwälzen aller Probleme auf mich, den armen und geplagten Geschenkpapierdesigner-Elf.
Ich
meine; ich komme nicht mal über den Status heraus, in dem man als Elf
noch die Uniform tragen muss. Die mit den Ringelleggins und grünen
Oberteilen. Sogar diese blöde Zipfelmütze mit Glöckchen muss ich tragen.
„Warum
fragt ihr mich denn?“, seufze ich. Nur weil Christ einen Narren an mir
gefressen hat? Seit ich ein kleiner Elf war, fragt er öfter nach mir
und seit ich erwachsen bin, unternehmen wir öfter mal was miteinander.
„Vielleicht
hört Christ auf dich. Du musst einfach nur wieder so niedlich schauen
wie damals, als es den Ärger mit dem SM-Geschenkpapier gab und dann wird
er einsehen, dass das Quatsch ist. Wir müssen den Menschen Freiheit
gewähren daran zu glauben, was sie wollen“, führt Santa seinen Gedanken
aus und ich frage mich wirklich, warum er so ein Problem hat.
„Gib´s
zu, Santa, du willst nur nicht, dass du als Werbung für Softdrinks
verschrien wirst“, motze ich, stehe aber auf um zu Christ zu gehen. Um
diese Zeit sitzt er meistens bei dem brennenden Busch. Man hat das Teil
hierher importiert um einen direkten Dreht zum Verursacher des ganzen
Weihnachts-Übels zu haben.
Gott
lässt sich hier nur selten blicken, aber wenn, dann ist es immer ganz
witzig. Er macht sich einen Spaß daraus in der Gestalt von
irgendjemandem zu erscheinen, der auch hier in Elfenland lebt.
Letztes
Mal kam er als mein Bruder Larry und es war fast nicht vom Original zu
unterscheiden. Die Erwähnung des Wortes „Rotation“ verriet ihn dann aber
doch.
Ich
hatte recht. Christ sitzt auf der Bank und starrt in die Flammen des
Gestrüpps. Nach mehr als zweitausend Jahren sieht das Teil auch nicht
mehr taufrisch aus.
„Hey“, grüße ich und lasse mich neben Christ auf die Bank fallen. Er schaut mich nur mit zusammengekniffenen Augen an.
„Ich weiß, warum du hier bist und ich werde nicht diskutieren“, teilt Christ mir mit und schaut dann wieder stur auf den Boden.
Jetzt
tut er mir leid. Klar, er ist ein elender Besserwisser, aber er will
immer nur für alle das Beste. Und er gibt sich Mühe Traditionen zu
bewahren, deshalb liebt er es Liederbücher mit alten Kinderliedern zu
verschenken.
„Ist
okay. Ich finde, dass du recht hast“, erkläre ich leise und starre
ebenso wie er ins Leere. Ich spüre, wie Christ neben mir sich ruckartig
rumdreht und mich anstarrt.
„Du bist meiner Meinung?“
„Ja. Absolut.“
„Aber du sitzt noch hier und bestimmt hat Santa dich geschickt um mit mir zu reden.“
„Ja. Aber ich will dir deine Idee nicht ausreden. Nur vielleicht einen Kompromiss vorschlagen.“
„Was für einen?“
Christ
wirkt ehrlich interessiert, er hat sich nach vorne gebeugt und schaut
mich forschend an. Er sieht ziemlich süß aus - ja, auch zwei Meter große
Riesen können süß aussehen - wie er an seinem Pullover herumknibbelt.
„Stellt
ein Buch mit den wichtigsten Weihnachtsgeschichten zusammen. Mit
deiner, der des Weihnachtsmannes und der von den Geistern und so. Als
eine Art Überblick über Tradition und Glauben, nur eben kindgerecht
verpackt. So kommt ihr alle vor und die ganzen Gören haben nicht nur was
gelernt, sondern sie wissen auch wieder, warum Weihnachten gefeiert
wird“, schlage ich vor.
Einen
Moment ist es still, dann grabscht Christ nach meiner Hand und drückt
sie. „Danke!“, haucht er, seltsam leise, sonst ist er ein klar
verständlicher, etwas lauterer Typ. Dann küsst er mich.
Es
ist wie - jedes Mal wenn er das tut - ganz zärtlich und sanft, man
würde ihm das so gar nicht zutrauen. Seine Lippen liebkosen meine ganz
vorsichtig, als wäre es unser erster Kuss und nicht der
fünftausenddreihundertunderste in unserer Beziehung.
„Ich
sage es den Anderen“, verkündet er lächelnd als wir uns loslassen und
ich tief durchatme um wieder Luft in meine Lungen zu bekommen. „Du hast
heute das Weihnachtsfest gerettet - zumindest für mich, Barry!“
Kaum gesagt, schon verschwunden.
„Wir
sehen uns dann heute Abend zu Hause! Und denk´ dran, du musst heute
kochen!“, rufe ich noch, dann ist er schon verschwunden.
Leise lächelnd schaue ich auf den brennenden Busch, der die Weihnachtsdeko um sich herum kräftig angesengt hat.
Ich
mag Weihnachten nicht, eigentlich hasse ich es sogar. Aber heute, heute
beschließe ich es zumindest ein klitzekleines bisschen zu mögen.
Beim
Weg zurück zu meinem papiervermüllten Arbeitsplatz gelingt mir sogar
ein richtiges Lächeln. Ja, für heute mag ich Weihnachten.
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Morgen öffnen wir das Türchen auf Nico Morleen's Blog
Das ist wahnsinnig süß :D
AntwortenLöschenUnd die Idee- ein weihnachtshassender Weihnachtself :D :D
Einen wunderschönen 12.Dez. für alle :)
Eine total niedliche Idee! Danke für deine schöne Geschichte. Ich habe mich sehr über Barry amüsiert.
AntwortenLöschenlg
karo
Oh mein Gott die war einfach nur total klasse niedlich x3
AntwortenLöschenBarry ist unheimlich cool :D
Hassender Geschenkpapierdesigner Elf :3
Und Christ ist auch klasse ^-^
Kann allerdings nicht verstehen was er gegen die Bdsm Werbung hat-ist doch toll wenn Barrys Ideen weiter verwendet werden xD
Echt köstlich!
AntwortenLöschenDanke.
LG
Martina